Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976 - 1989

 

Schlachthaus Berlin 1986-1988, Ausstellungsansicht (Kleine Komposition: 78 Silberbarytabzüge auf sechs Zinkbleche kaschiert)

 

 

Gruppenausstellung im Martin-Gropius-Bau, Berlin

16. Juli – 26. September 2016

Für mehr Informationen: www.berlinerfestspiele.de

 

Jörg Knöfel, der nach der Wende unter dem Künstlernamen York der Knöfel zwischen Malerei, Zeichnungen und Installationen die Medien wechselte, begann seine künstlerische Karriere als Fotograf Mitte der achtziger Jahre in Ost-Berlin. Durch Unterstützung von Arno Fischer wurde Knöfel neben Tina Bara und Sven Marquardt als Autodidakt 1986 in den Verband Bildender Künstler aufgenommen, was Knöfel sein erstes groß angelegtes Projekt Schlachthaus Berlin ermöglichte. Damals 23-jährig fotografierte Knöfel zwei Jahre im Eigenauftrag im VEB Fleischkombinat, dem ehemalige Zentralvieh- und Schlachthof Berlin. Das industrielle Töten (2.500 Schweine pro Schicht) war die Folie auf der Knöfel seine Frage nach menschlichen Handlungsmustern aufbaute und er suchte mit dieser Arbeit auch nach einer Präsentation, die den Rahmen des fotografischen Bildes erweitert und die Erfahrung des Ortes physisch erfahrbar werden lässt.

Er entwickelte ein Labyrinth aus verzinkten Stahlplatten in den Außenmaßen 10 x 6,25 Meter und kaschierte auf einer Tonne Blechplatten Schwarz-Weiß-Abzüge sowie im Zentrum eine Gruppe von Farbfotografien. Neben Porträts und fast abstrakten Einzelbildern sind es vor allem Bildsequenzen, die die Fotografie mit Assoziationen zum damals üblichen Super-8-Film anreichern. Die erste Ausstellung 1988 in der Galerie der Hochschule für Bildende Künste in Dresden war eine Sensation und setzte einen Meilenstein im Umgang mit dem Medium Fotografie in der DDR. 1989 wurde im Ausstellungszentrum am Fernsehturm eine Ausstellung mit dem Titel Konzeptuelle Fotografie in der DDR gezeigt, in der das „Schlachthaus“ warscheinlich auch aus technischen Gründen nicht gezeigt werden konnte. Daher entwickelte Knöfel die hier gezeigte wandfüllende Bildfläche aus sechs Zinkblechtafeln, auf denen er weiteres Material aus dem Schlachthaus zu einem neuen Bild vereinte.

 

Friedrich Loock

 

(S. 232-237, Publikation erschienen anlässlich der Ausstellung "Gegenstimmen. Kunst in der DDR 1976-1989", herausgegeben in Verantwortung der Deutschen Gesellschaft e.V. in Zusammenarbeit mit der Künstlerhaus Bethanien GmbH, mediales GmbH, Berlin, 2016)